Zu den Vereinigten gehören ungefähr 80 Gruppierungen aus der Stadt Luzern und den umliegenden Agglomerationsgemeinden. Wie die Vereinigten vereinigt wurden und wer und wozu wir vereinigt sind, beantwortet der folgende Textauszug aus dem Buch „Faszination Luzerner Fasnacht, Band I: Die Guuggenmusigen“:
„Vereinigt“ guuggt’s sich besser
Mit der Zeit wurden innerhalb der Guuggenmusigen Strömungen bemerkbar, die zu einemZusammenschluss, zu einem «Dachverband» drängten, um sich nicht zuletzt bei Verhandlungen mit dem LFK in einer stärkeren Position zu wissen. Erste Gespräche wurden zunächst unter den „Alten“ im bereits früher erwähnten Café Moc geführt, wo sich Sepp, Max, Pöldi und andere immer wieder regelmässig trafen. Was hier bei einem starken Espresso, einer Gauloise bleue oder Pfeifentabak zunächst unverbindlich diskutiert wurde, führte am 17. Januar 1964 zu den «Vereinigten Guuggenmusigen Luzern». In einer denkwürdigen Gründungsversammlung in der damals noch so heimeligen «Metzgere» am Weinmarkt wurden von zwanzig Delegierten die Statuten genehmigt, in denen der Zweck des Zusammenschlusses wie folgt festgehalten war:
a. Forderung fasnächtlichen Geistes und Wahrung fasnächtlicher Tradition
b. Organisation des Monsterkonzertes
c. Interessenvertretung der Mitglieder.
Der Vereinigung beitreten konnten (und können auch heute noch) nur Aktivmitglieder und zwar Guuggenmusigen, Tambourencliquen sowie andere Vereine und Gesellschaften, deren Sinn und Zweck den Satzungen der Vereinigung nicht zuwiderlaufen. Als Organe wurden in den Statuten genannt: die Delegierten-Generalversammlung, der Vorstand und die Präsidentenversammlung. Der Vorstand bestand bei der Gründung aus einem Präsidenten und sechs Mitgliedern, wobei mindestens ein Mitglied des Vorstandes stets einem Tambourenverein anzugehören hatte. In dieser Beziehung zeigten sich die Guuggenmusiger von Anbeginn an sehr kollegial: Trommler und Pfeifer waren immer gerne gesehen und genossen volle Anerkennung. Der Siebner-Vorstand im Gründungsjahr war wie folgt zusammengesetzt: Obmann, Josef Ebinger (Guuggenmusig); Kanzler Max Baumann (Chatzemusig); Kassuar (eine sprachliche Neuschöpfung für die beiden Funktionen Kassier und Aktuar), Josef Lauber (Chatzemusig); Beisitzer, Hugo Bachmann (Grümpelmusig); Leopold Haefliger (Boheme Musig); Lorenz Fischer (Lozärner Dörflimusig) sowie Mark Zeugin (Rätzpläuschler) als Vertreter der Pfeifer und Trommler. Im «Vaterland» stand damals geschrieben, dass die „Vereinigten Guuggenmusigen“ nunmehr so an die 1000 aktive Mitglieder zählen … und damit dürften sie sich rühmen, die grösste Fasnachtsgesellschaft Luzerns zu sein. Das war kein Seitenhieb an das LFK. Doch wurde damit deutlich gemacht, dass fortan die Guuggenmusigen einen ernstzunehmenden Faktor an der Fasnacht darstellten. In negativer Weise äusserte sich dies an, der Fasnacht 1969.
Das «leidige» Morgenessen von 1969
Boykott der Fritschi-Tagwache
Im Frühherbst 1963 fand im Saal der Maskenliebhaber-Gesellschaft am Süesswinkel eine gegenseitige Kontaktnahme und freie Aussprache zwischen Gesellschaften, LFK und «Vereinigten» statt. Ein Gesprächsthema war unter anderem das Morgenessen, das die Zunft zu Safran grosszügigerweise den Guuggern jeweils am Schmutzigen Donnerstag spendierte. In früheren Jahren war es allerdings noch eine kleine Anzahl von Musigen, die auf Kosten Bruder Fritschis im Bahnhofbuffet und später zusätzlich im Kunsthaus Kaffee schlürften und Gipfeli zerdrückten. Im Lauf der Diskussion machte Lorenz Fischer den Vorschlag, künftig auf diese Morgenessen-Spende zu verzichten. Er tat dies nicht im Auftrag des Vorstandes der «Vereinigten», sondern aus freien Stücken, eingedenk der rasanten Vermehrung der Guuggenmusigen und im Wissen um die finanziellen Verpflichtungen, die die Zunft zu Safran jedes Jahr vor allem in sozialer Hinsicht erfüllt. Der Vorschlag wurde in die Zunft hineingetragen, wo er auf fruchtbaren Boden fiel.
Der Entschluss der Safran-Zunft, dieses Morgenessen «fallenzulassen», wurde nicht von allen Guuggern verstanden. Man wollte es den «Mehrbessern» zeigen und so entschlossen sich die Guuggergrössen im Vorstand – zusätzlich motiviert durch «Schnäggebörger»-Chef Werner P. Wyler, der sich in dieser Angelegenheit stark engagierte – die Fritschi-Tagwache zu boykottieren. Es ging – so Wyler heute – den Musigern damals nicht in erster Linie um das Materielle, sondern vielmehr um den gesellschaftlichen Aspekt dieses Morgenessens: «Wir hatten einfach ruüdig den Plausch, die verschiedenen Guugger beim Morgenessen zu treffen. Da wurde improvisiert, gespielt und es gab ein tolles Fest.»
Wie dem auch sei, die Guugger straften nicht den Zunftrat, der den Entscheid fällte, sondern in erster Linie Zunftmeister Marco Dreyer und seine Gattin. Wenn es den Guuggern wirklich um den gesellschaftlichen Aspekt gegangen wäre, so hätten sie ein solches Morgenessen von sich aus organisieren können. Was am 14. Februar 1969 unter dem Titel «Tagwache mit (ungeblasenen) Misstönen» im «Vaterland» zu lesen war, sagte es deutlich: «… Ausgerechnet die Guuggenmusikanten, die immer wieder mit spöttischer Miene über die griesgrämigen Köpfe der Mitglieder des LFK und der Zünftler spötteln und sie <Spiesser> nennen, wurden selbst zu ausgewachsenen Spiessern. Zu Spiessern, bei denen die Fasnacht offenbar beim Morgenessen aufhört!»
Für die Dauer eines Jahres war danach das Verhältnis zwischen Guuggenmusigen und Zunft zu Safran arg gestört. Doch die Zeit heilt glücklicherweise Wunden. Was im Moment als Skandal betrachtet wurde, hatte man bald einmal vergessen. Ein Jahr später kamen der damalige Zunftmeister Fritz Furler und der neue Präsident der «Vereinigten», Max Baumann, im Hotel Schiff zusammen, um die Fritschi-Tagwache gemeinsam zu organisieren. Seither marschiert ab morgens fünf Uhr früh Bruder Fritschi mit Gefolge vor den Guuggenmusigen durch die Strassen und Gassen der Altstadt. Es herrscht wieder Frieden (ohne «zünftiges» Morgenessen) und die wenigsten erinnern sich oder wissen überhaupt um jene leidige Episode.
Aufregung um Guugger-Plakette
Noch einmal kamen die Fasnachts-Gewaltigen ins Schwitzen, als das Gerücht die Runde machte, die «Vereinigten» würden mit einer Konkurrenz-Fasnachts-Plakette an die Öffentlichkeit gelangen. Wenn man weiss, welche Summen die goldenen, silbernen und bronzenen Plaketten jeweils dem LFK einbringen, so kann man die Unruhe, die sich da breit machte, verstehen, Zwar lag die Plakette in einem Entwurf von Sigi Widmer bereits vor, doch war diese Aktion nicht ganz so ernst gemeint und diente eher als Druckmittel. Jedenfalls gelangte die Guugger-Plakette nicht in Produktion, hingegen erklärte sich das LFK bereit, den «Vereinigten» eine Anzahl offizieller Fasnachts-Plaketten zum Selbstkostenpreis abzugeben. Der Erlös floss in die Guugger-Kasse.
Die «Vereinigten» ins LFK?
In späteren Jahren verzichtete der Vorstand der «Vereinigten» auf diese Plakettenabgabe, da damit eine gewisse Bindung an das LFK provoziert wurde. Überhaupt gab es immer wieder Tendenzen sich mehr oder weniger anzunähern. Selbst von einer völligen Integration war einmal die Rede. Mit viel Engagement und Beharrungsvermögen versuchte vor allem Werner Stalder, LFK-Präsident 1969, die Guugger für sich und das LFK zu gewinnen. Einige der damaligen Vorstandsmitglieder erinnern sich heute noch mit Vergnügen an die feudalen Einladungen im wunderschön eingerichteten Kellerlokal am Kauffmannweg, wo bei Speis und edlen Tropfen versucht wurde, die Guugger zu überzeugen. Doch «LFK-Teilhaber» wurden sie trotzdem nicht. Und so weit wird es wohl auch nie kommen, denn der Riesenhaufen von Individualisten, wie sie in der «Vereinigten» zusammengefasst sind, lassen sich kaum in eine Organisation wie das LFK eingliedern. Kommt dazu, dass echte Fasnacht eben keine Organisation benötigt.
Die Bemühungen des LFK um die «Vereinigten» sind zwar verständlich. Denn eine der Hauptaufgaben der Luzerner Fasnachts-Gewaltigen ist der Umzug. Und sich heute einen Umzug ohne Guuggenmusigen vorzustellen, ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Während aber in früheren Jahren die Guuggenmusigen noch mit viel Fantasie und etwelchem Aufwand an den Umzügen teilnahmen, sieht es heute anders aus. Immer wieder kommt es vor – Ausnahmen bestätigen die Regel -, dass Musigen ohne eigentliche Sujets die Umzugsroute begehen und so auf relativ einfache Art Kostüme und Grinden vom LFK mitfinanzieren lassen. Diesbezüglich dürften die künstlerischen Chefs der Musigen vermehrt Fantasie zeigen und sich vielleicht einmal an Guuggenmusig-Nummern früherer Jahre neu orientieren!
Ausnahmebewilligung für die «Frohburg»
Als die «Vereinigten» gegründet waren, suchte der Vorstand deswegen recht schnell um eine Audienz beim Regierungsrat nach. So trabten eines schönen Tages Sepp Ebinger, Max Baumann, Pöldi Haefliger und der damalige LFK-Präsident und Chatzemusig-Mitbegründer Marco Schumacher beim kantonalen Militär- und Polizeidirektor Joseph Isenschmid vor. Als Sprecher amtete Max Baumann, der seine wohlvorbereitete Rede mit «Hochgeachteter Herr Regierungsrat» begann … worauf seine (feinen) Kollegen in schallendes Gelächter ausbrachen, in das aber auch der Magistrat einstimmte. Damit war das Eis sofort gebrochen und die Guuggenmusig-Oberen erreichten eine Ausnahmebewilligung: die «Frohburg» blieb den Musikanten bis morgens vier Uhr geöffnet. Allerdings musste der Vorstand jedes Jahr Leute bestimmen, die Türkontrollen ausübten, denn nur kostümierte Mitglieder der «Vereinigten» durften von diesem «Ausplampen» profitieren. Welch ein Gedränge jeweils in der alten «Frohburg» herrschte, wenn sich Musikant um Musikant hineinzwängte, kann man sich leicht vorstellen. Heute gehört dies der Vergangenheit an, konnte doch mit dem neuen Fasnachtsgesetz auch diese Situation bereinigt werden.
Quelle: Faszination Lozärner Fasnacht, Band I: Die Guuggemusigen, Hrsg. Luzerner Fasnachtsführer, Luzern 1988